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CONCERT JAZZ ORCHESTRA VIENNA
Eine Big Band gilt heute als lebendiger Anachronismus - zu teuer, umständlich in der Organisation, schwierig zu vermarkten, und auch als Musiker muss man sich einem Regime unterordnen... Warum gibt es dann heute überhaupt noch jemanden, der auf die Idee kommt, eine Big Band zu gründen?
Einerseits ist da natürlich der Reiz der schieren klanglichen Größe. Eine Big Band kann einen Sound produzieren, der eben BIG ist. Mag schon sein, dass es kleinere Bläsergruppen gibt, die kraftvoll spielen können - man denke da nur an Tower Of Power. Doch ist das trotzdem noch kein Vergleich zur klanglichen Urgewalt einer Big Band. Auf der anderen Seite bietet gerade die Besetzung einer modernen Big Band faszinierende Möglichkeiten mit diffizilen Klangfarben zu arbeiten. Anstelle des reinen Saxophonsatzes gibt es seit Gil Evans - dem Begründer der modernen Big Band - viel Holz und Flöten, und die Trompeten und Posaunen ergänzt durch Bassposaune, Tube, Euphonium und French Horn. Der Komponist kann natürlich auch beliebig kleine Gruppen aus der Big Band kombinieren - eine Band in der Band. Und da ist auch der klangliche Reiz, eine Big Band in voller Besetzung leise spielen zu lassen - ein ganz eigenes Klangerlebnis.
Eine Big Band, welche die ganze Palette dieser modernen Farben beherrscht, ist das Concert Jazz Orchestra Vienna. Wie der Name schon andeutet, versteht sich das Ensemble weniger als klassische, amerikanische Big Band, sondern als ein Jazz Orchester, welches amerikanische Big Band Kultur und europäische Konzerttradition in sich vereint. Ed Partyka, der Leiter des Concert Jazz Orchestra Vienna war schon immer vom Klang einer Big Band fasziniert. Als Bassposaunist Schüler bei Bob Brookmeyer, und als Musiker Mitglied im renommierten Vienna Art Orchestra begann er bald neben dem Spielen mit dem Arrangieren und Komponieren. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass das frisch gegründete CJOV auf der Suche nach einem Bandleader war - und Ed Partyka sagte sofort zu. Und dann half noch einmal das Glück der jungen Big Band auf die Sprünge. Peter Polansky, zuständig für den Jazz im Wiener Konzerthaus, war vom CJOV begeistert und wollte die junge Band unterstützen - und gab Ed Partyka den Auftrag, ein Konzert für Big Band und Solisten zu komponieren. Als Solist sollte der inzwischen auch weit über die Grenzen Österreichs bekannte Gitarrist Wolfgang Muthspiel fungieren. Eine Idee, die Ed Partyka anfangs gar nicht behagte, hat er doch vehemente Vorurteile gegen Gitarristen: "Gitarre lernen ist relativ leicht, und beherrscht man drei Akkorde, kann man bereits Rockstar werden. Außerdem spielen die meisten Gitarristen hauptsächlich eines - laut!" erklärt er nicht ohne Ironie. Zum Glück ist Wolfgang Muthspiel kein Rockstar, und er ist einer, der auch die leisen Töne vorzüglich beherrscht...
Warum "Coninental Call"? Die Querverbindungen zwischen den Kontinenten sind tatsächlich auffallend stark in diesem Opus. Während Wolfgang Muthspiel vor einiger Zeit Österreich verließ, und in Boston und New York eine neue Heimat fand, kam Ed Partyka aus den USA mit dem Umweg über Köln nach Wien. Weiters vereint diese Big Band europäische Kompositionstradition mit amerikanischer Klang- und Spielkultur wie keine zweite. Das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit wurde im Juni 2001 im Wiener Konzerthaus uraufgeführt und liegt jetzt als CD (CJOV/Wolfgang Muthspiel: "Continental Call", Quinton Q0201) vor. Und der Jubel der Presse anlässlich der Uraufführung lässt sich sofort nachvollziehen: Die Big Band präsentiert sich als hervorragend eingespielt und schwelgt geradezu in Klangfarben. Es gibt wunderschöne Duos, und neben der über allem schwebenden, singenden Gitarre von Wolfgang Muthspiel liefern der Trompeter Thomas Gansch und Robert Bachner am Euphonium zwei bemerkenswerte Soli. Thomas Gansch spielt einen Jazz Waltz begleitet nur von Bass und Gitarre, und Robert Bacher entlockt über einem hart treibenden Groove seinem Euphonium schon beinahe rock-ähnliche Klänge. Und hat man einmal "Continental Call" durchgehört, erweist sich die Komposition trotz ihrer Komplexität als Ohrwurm par Excellenze - man ertappt sich dabei, die verschiedenen Themen immer wieder vor sich hinzusummen. Und legt dann wieder die CD auf, nur um neue Details und andere Melodien zu entdecken...
Ein Glück, dass es auch heute noch engagierte und couragierte Musiker gibt, die sich dem vermeintlichen Anachronismus einer Big Band stellen - und beweisen, wie zeitgemäß und modern eine Big Band klingen kann!
(Autor: Andreas Rathammer)
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